MIT DER CAMERA RESTRICTA GEGEN DIE DIGITALE AUSTAUSCHBARKEIT
Im Internet werden wir mit einer wahren Flut an Fotos konfrontiert. Die Camera Restricta soll ein Denkanstoss sein, wie wir mit diesem Überangebot umgehen können.
Das digitale Zeitalter hat uns eine Schwemme an Bildern beschert. Die allgegenwärtigen Smartphones erlauben es uns, überall auf der Welt Fotos zu machen und sie quasi in Echtzeit übers Internet zu teilen. Dass die Demokratisierung der Fotografie nicht nur Vorteile hat, merkt man beim Blick auf die einschlägigen Fotoplattformen im Internet. Auf Instagram, Flickr & Co. Tummeln sich unzählige austauschbare Ferienfotos der immer gleichen Motive: Selfies vor der New Yorker Freiheitsstatue, Menschenmengen in Paris vor dem Eiffelturm und Touristen am Berner Bärengraben. Wie können wir aus dem Einheitsbrei ausbrechen?
Mit GPS zu neuen Motiven
Der deutsche Designer Philipp Schmitt hat eine Kamera vorgestellt, die den unkreativen Ferienfotos einen Riegel vorschieben will. Die Camera Restricta ist aber nicht einfach ein Gadget, sondern vielmehr ein Kunstprojekt mit einer gesellschaftlichen Botschaft, die zum Nachdenken anregen soll. Dafür bedient sich die Camera Restricta derselben digitalen Technologie, welche die unüberschaubare Menge an Fotos erst möglich gemacht hat.
Im Gehäuse aus dem 3D-Drucker steckt nicht nur Kameratechnik, sondern auch ein mit dem Internet verbundenes Smartphone. Über GPS bestimmt das Smartphone den Standort der Kamera und vergleicht ihn mit den Geo-Tags von Fotos auf Flickr und Panoramio. Wenn im Umkreis von 35 Metern schon zu viele Bilder mit dem gleichen Geo-Tag veröffentlicht wurden, fährt die Camera Restricta automatisch den Auslöser ein und lässt an diesem Ort keine Fotos mehr zu.
Ihr könnt euch auf der Suche nach unentdeckten Motiven auch von euren Ohren leiten lassen: Die Camera Restricta hat einen Lautsprecher, der mit Geräuschen, die an einen Geigerzähler erinnern, die Anzahl der an einem Ort gemachten Fotos wiedergibt. Erst wenn es still wird, habt ihr ein geeignetes Plätzchen gefunden.
Kommentar zur Fotozensur
Dank der Internetverbindung weiss die Camera Restricta auch, ob an einem bestimmten Ort das Fotografieren offiziell verboten ist und verweigert dann die Aufnahme. Schmitt will so die Vorstösse einiger europäischer Staaten kommentieren, die das Fotografieren von öffentlichen Gebäuden und Sehenswürdigkeiten als Urheberrechtsverletzung einstufen wollten. Die Kamera wird zum Helfer der Zensurbehörden, indem sie die Zensur bereits im Voraus anwendet. Damit will die Camera Restricta darauf aufmerksam machen, dass solche Funktionen ohne weiteres auch einfach als Softwareupdate ihren Weg in unsere Kameras finden können. Die Kamera wäre dann nicht mehr nur Werkzeug der Fotografen, sondern würde die Motivwahl gleich mitbestimmen.
Abseits der Zensurproblematik will die Camera Restricta aber auch das Bewusstsein für die Wahl eines Fotomotivs schärfen. Wie fühlt es sich an, das allererste Bild eines bestimmten Orts zu machen? Und welche Verantwortung trägt man, wenn die Kamera nach der Aufnahme den Auslöser einzieht, weil man das letzte erlaubte Bild von einem Motiv gemacht hat, bevor es wegen zu vieler Fotos gesperrt wird? Die Camera Restricta will diesen Fragen nach dem Wert der Fotografien im digitalen Zeitalter auf den Grund gehen.
Im Video unten werden die Funktionsweise und die Hintergründe der Camera Restricta vorgestellt. Was haltet ihr von diesem Projekt? Schreibt eure Meinung in die Kommentare!